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Ein architektonisches Juwel…

Das Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens ist eines der traditionsreichsten archäologischen Museen Deutschlands. Aber wer kennt schon seine architektonische Bedeutung innerhalb des spätbarocken und klassizistischen Weimarer Baugeschehens ?

Seit über 125 Jah­ren beher­bergt das Stadt­pa­lais am Pos­eck­schen Gar­ten  ein Museum. Bereits um 1790 errich­tet erzählt das heute denk­mal­ge­schützte Domi­zil aber auch ein ganz eige­nes, eng mit Wei­ma­rer Per­sön­lich­kei­ten ver­wo­be­nes Stück Stadt- und Bau­his­to­rie. Seine Errich­tung fällt in die Ära, als die kleine Resi­denz­stadt Wei­mar zu einem bedeu­ten­den geis­ti­gen Zen­trum der Klas­sik avan­cierte, dem das noch pro­vin­zi­ell anmu­tende Stadt­bild ent­ge­gen stand. Von fürst­li­cher, aber auch von bür­ger­li­cher Seite gin­gen ambi­tio­nierte Bau­pro­jekte aus, in deren Zusam­men­hang die Errich­tung des Stadt­pa­lais zu sehen ist. Einen ent­schei­den­den Impuls bot die sog. Ent­fes­ti­gung der Stadt Mitte des 18. Jh., mit der nun auch Areale jen­seits der Stadt­mauer für Bau­vor­ha­ben erschlos­sen wer­den konnten.

Ein ambi­tio­nier­tes Wohn­bau­pro­jekt, seine Erbauer und Bewohner

Als einer der Haupt­ak­teure wirkte dabei der umtrie­bige Bau­lei­ter, Unter­neh­mer und so beti­telte „Hof­jä­ger“ Anton Georg Haupt­mann (1735–1803), eine sei­ner­zeit schil­lernde Per­sön­lich­keit Wei­mars. Er setzte allein 20 (Wohn-)Bauprojekte in der Stadt um. Ihm wur­den beste Ver­bin­dun­gen zum Hof, zu den in herr­schaft­li­chen Diens­ten ste­hen­den Bau­sach­ver­stän­di­gen, Mau­rer- und Zim­mer­meis­tern, vor allem aber „All­roun­der-Qua­li­tä­ten“ nach­ge­sagt. A. G. Haupt­mann pro­jek­tierte den Bau ab 1789 an der Peri­phe­rie der Stadt vor „dem Frauen Thore“ auf zuvor land­wirt­schaft­lich genutz­ten Flä­chen. Als Bau­meis­ter zog er wohl den Braun­schwei­ger, spä­ter am Hof von Son­ders­hau­sen täti­gen Hof­bau­meis­ter Johann Fried­rich Rudolph Stei­ner (1742–1804) heran. Im Übri­gen zustän­dig für das staat­li­che Res­sort „Zivil­bau“ war er seit den 1780er Jah­ren in Wei­mar ein gefrag­ter Archi­tekt. Als Arbeits­team hat­ten sich beide bereits im Zuge frü­her klas­si­zis­ti­scher Bau­pro­jekte erprobt.

Noch Ende 1789 beschloss A. G. Haupt­mann, das groß­zü­gige Grund­stück ein­schließ­lich des mit­ten im Bau befind­li­chen Palais zu ver­äu­ßern. Ob in den Archi­va­lien ange­deu­tete finan­zi­elle Schwie­rig­kei­ten, oder – wie zuwei­len ver­mu­tet – spe­ku­la­tive Absich­ten bestan­den, bleibt unge­klärt. Ebenso, ob A. G. Haupt­mann beab­sich­tigte, das Palais selbst zu bewohnen.

Für 7000 Taler erwarb der ehe­ma­lige wei­ma­ri­sche Kam­mer­jun­ker Lud­wig Jobst Chris­tian Baron von Olders­hau­sen den Roh­bau nebst Gar­ten. Die­ser hatte, wie viele Ade­lige, sei­nen Wohn­sitz nach Wei­mar ver­legt und lebte dort von sei­nem Ver­mö­gen. Voll­endet wurde das Palais schließ­lich unter sei­nem neuen Besit­zer im Jahr 1791.

Um 1827 über­gab er das Haus an den Land­jä­ger­meis­ter und Kam­mer­herrn Fried­rich Carl Chris­tian von Pos­eck, der dort über 30 Jahre mit sei­ner Fami­lie wohnte. Eine zeit­ge­nös­si­sche Gra­fik ver­mit­telt ein Bild aus die­ser Zeit . Ein hand­schrift­li­cher Ver­merk auf der Gra­fik ver­weist auf Mit­glie­der der Fami­lie von Pos­eck im Vor­der­grund, die Töch­ter der „Par­terre­be­woh­ner“ sowie eine kleine Garde fran­zö­si­scher Sol­da­ten. 1863 erwirbt schließ­lich die Stadt das Anwesen.

Vor­bote klas­si­zis­ti­scher Baugesinnung

Das Duo A. G. Haupt­mann und J. F. R. Stei­ner hat am Ende des 18. Jh. ein für die Stadt Wei­mar in zwei­er­lei Hin­sicht bemer­kens­wer­tes Stadt­pa­lais geschaf­fen : Nach dem Ber­tuch­haus (heute Stadt­mu­seum) ist es als der zweit­größte bür­ger­li­che Wohn­bau sei­ner Zeit und zugleich als Vor­bote klas­si­zis­ti­scher Bau­ge­sin­nung zu würdigen.

Errich­tet wurde das Palais – leicht aus der Bau­flucht ver­schwenkt – auf einem groß­zü­gi­gen tra­pez­för­mi­gen Grund­stück, was bis heute ein städ­te­bau­li­cher Hin­weis auf die his­to­ri­sche, weit vor den Bau­ord­nun­gen des 19. Jh. ent­stan­dene unre­gel­mä­ßige Stra­ßen­füh­rung ist.

Der drei­flü­ge­li­gen Anlage mit statt­li­chem drei­ge­schos­si­gem Haupt­haus, stei­lem Walm­dach und ange­glie­der­ten Sei­ten­flü­geln war anfangs, wie zeit­ge­nös­si­sche Pläne nahe legen, rück­wär­tig ein sym­me­trisch ange­leg­ter baro­cker Haus­gar­ten ange­schlos­sen. Las­sen die reprä­sen­ta­tive Drei­flü­gel­an­lage, spie­gel­bild­li­cher Haus­gar­ten und ein weit­räu­mig ange­leg­tes Trep­pen­haus noch barock-ade­lige Tra­di­tio­nen anklin­gen, deu­ten archi­tek­to­ni­sche Detail­ge­stal­tung und innere Raum­or­ga­ni­sa­tion bereits die schlicht-klas­si­zis­ti­sche Bau­ge­sin­nung an. Allein das Kon­zept, Bel­etage und Wohn­räume nicht dem Gar­ten, son­dern wie spä­tere bür­ger­li­che Stadt­häu­ser der Straße zuzu­wen­den, lässt neue Moden durchblicken.

Zwölf-ach­sig und streng ach­sen­sym­me­trisch ange­legt prägt die Schau­fas­sade das Stadt­bild am Rande der süd­li­chen Alt­stadt. Ihr auf­stre­ben­der Mit­tel­ri­sa­lit nimmt die von Pilas­tern flan­kierte Tor­ein­fahrt auf, wird von einem Gie­bel­drei­eck mit que­r­ova­lem Fens­ter bekrönt und ver­mit­telt die Reprä­sen­tanz des zur Bel­etage gehö­ren­den Haupt­saals. Den hori­zon­ta­len Aus­gleich bil­den geschoss­tren­nende breite Brüs­tungs­bän­der in zar­tem Putz­re­lief unter den schlicht in die Fas­sade geschnit­te­nen, hoch­recht­ecki­gen Fens­tern. Alles in allem eine strenge, aus­ge­wo­gene und zurück­hal­tend-klas­si­zis­ti­sche Glie­de­rung, die die dezente For­men­spra­che spä­te­rer Haus­fas­sa­den Wei­mars vorwegnimmt.

Hier wurde herr­schaft­lich gewohnt

Die Raum­auf­tei­lung zeigt einen für seine Zeit kla­ren, streng sym­me­tri­schen Grund­riss und eine bemer­kens­werte Groß­zü­gig­keit. Die stra­ßen­sei­ti­gen gro­ßen Räume des Mit­tel­trak­tes bil­den eine Raum­flucht, die auf einen mit­ti­gen Saal von 6 × 10 m ori­en­tiert ist. Die Sei­ten­flü­gel nah­men wei­tere Wohn­räume auf. In den Erd­ge­schoss­räu­men waren Wirtschafts‑, Stall- und Neben­räume unter­ge­bracht. Die ehe­ma­lige Tor­durch­fahrt diente Fuß­gän­gern und Gespan­nen, um in den Innen­hof zu gelan­gen. Bis heute ein­drucks­voll ist das inner­halb des Tor­hau­ses gele­gene zwei­sei­tig in die obe­ren Geschosse anstei­gende Trep­pen­haus. In jedem Geschoss öff­net es sich zu einem Vor­raum, durch wel­chen man wie­derum zu einem hof­sei­tig lie­gen­den Gang kommt. Die­ser ver­band umlau­fend alle Räum­lich­kei­ten mit­ein­an­der, auch die der Sei­ten­flü­gel. Damit war ein zusam­men­hän­gen­des Kor­ri­dor­sys­tem geschaf­fen, das alle Räume unab­hän­gig von­ein­an­der erschließt – statt wie bis­her üblich nur hin­ter­ein­an­der gele­gene Durch­gangs­räume ohne Flure auf­zu­wei­sen. Hier wurde eine inno­va­tive Raum­or­ga­ni­sa­tion ein­ge­führt, die im zeit­ge­nös­si­schen Wei­ma­rer Woh­nungs­bau an der Schwelle vom Barock zum Klas­si­zis­mus ihres­glei­chen sucht. Erst spä­ter sollte sie für Ver­wal­tungs­bau­ten typisch werden.

Von der Innen­aus­stat­tung ist nach den Umbau­maß­nah­men der letz­ten 100 Jahre vie­les ver­lo­ren gegan­gen. Den­noch bezeu­gen Foyer und Trep­pen­haus in ihrer baro­cken Weit­räu­mig­keit und mit anspruchs­voll gestal­te­ten archi­tek­to­ni­schen Details noch den eins­ti­gen Reprä­sen­ta­ti­ons-anspruch sei­ner Bewoh­ner. Bemer­kens­wert ist das tra­gende Gestal­tungs­prin­zip der im Tor­haus ein­set­zen­den und sich bis in das Ober­ge­schoss fort­set­zen­den Bogen­ar­chi­tek­tur. In Holz gefer­tigt, illu­sio­nie­ren diese Ein­bau­ten durch ihre aus der Stein­ar­chi­tek­tur stam­men­den For­men eine mas­sive Kon­struk­tion : Korb­bo­gige Arka­den, die auf höl­zern umman­tel­ten Stüt­zen ruhen, öff­nen sich zu Neben­räu­men und Trep­pen­auf­gän­gen. Sie bil­den die über zwei Geschosse rei­chende Trep­pen­haus­kon­struk­tion in dezent klas­si­zis­ti­scher For­men­spra­che aus, die eine ganz beson­dere Raum­qua­li­tät entfaltet.

Im Zuge der grund­le­gen­den Sanie­rung des Gebäu­des 1998/99 wurde das Trep­pen­haus nach his­to­ri­schen Befun­den restau­riert und feh­lende Bau­teile ergänzt. Die Raum­struk­tur des Haupt­ge­bäu­des blieb erhal­ten. In den Sei­ten­flü­geln musste sie den Erfor­der­nis­sen einer moder­nen Aus­stel­lung weichen.

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