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Neue Forschungserkenntnisse – Frühbronzezeitliches Leben im Schatten des Leubinger Hügels

Eine For­schungs­gruppe um das Max-Planck-Insti­tut für Evo­lu­tio­näre Anthro­po­lo­gie (MPI-EVA) Leip­zig und das Thü­rin­gi­sche Lan­des­amt für Denk­mal­pflege und Archäo­lo­gie (TLDA) hat in der Fach­zeit­schrift „Sci­en­ti­fic Reports“ Ergeb­nisse zu Sozi­al­struk­tur und Ver­wandt­schafts­ge­füge im früh­bron­ze­zeit­li­chen deut­schen Mit­tel­ge­birgs­raum um 2000 v. Chr. ver­öf­fent­licht. Die Aus­wer­tun­gen geben völ­lig neue Ein­bli­cke in die Gesell­schaft die­ser Zeit !

Mit Beginn der frü­hen Bron­ze­zeit in Mit­tel­eu­ropa (um 2200 v. Chr.) ent­stand eine stark hier­ar­chi­sche Gesell­schaft mit nur weni­gen Indi­vi­duen in Macht­po­si­tio­nen. Diese Anfüh­rer oder „Fürs­ten“ sind anhand ihrer rei­chen Grä­ber in gro­ßen Grab­hü­geln, wie dem „Leu­bin­ger Fürs­ten­hü­gel“ zu erken­nen. Die soziale Orga­ni­sa­tion der Bevöl­ke­rungs­mehr­heit der soge­nann­ten nörd­li­chen Aun­je­tit­zer Kul­tur blieb dage­gen bis­lang weit­ge­hend unklar.

Die jetzt erschie­nene Arbeit ändert dies. Sie ver­knüpft die genom­wei­ten DNA-Daten von 46 Indi­vi­duen aus einem nur wenige hun­dert Meter vom Leu­bin­ger Fürs­ten­hü­gel ent­fern­ten früh­bron­ze­zeit­li­chen Grä­ber­feld und wei­te­ren Grä­bern in der Gemar­kung Leu­bin­gen mit archäo­lo­gi­schen, anthro­po­lo­gi­schen und Strontium-Isotopen-Daten.

Mit­tels die­ses mul­ti­dis­zi­pli­nä­ren Ansat­zes gelang es unter ande­rem, fünf Stamm­bäume zu rekon­stru­ie­ren, die sich über bis zu vier Gene­ra­tio­nen ver­fol­gen las­sen. Bei den Per­so­nen mit enger bio­lo­gi­scher Ver­wandt­schaft han­delt es sich vor allem um Eltern und deren direk­ten Nach­kom­men. Dane­ben lie­ßen sich Indi­vi­duen iden­ti­fi­zie­ren, die kei­ner­lei gene­ti­sche Bezie­hun­gen zu den an die­sem Ort bestat­te­ten bio­lo­gi­schen Ver­wandt­schafts­grup­pen haben.

Die Wis­sen­schaft­ler konn­ten wei­ter­hin zei­gen, dass die Ver­wandt­schafts­be­zie­hun­gen der Bestat­tungs­ge­mein­schaft über­wie­gend über die väter­li­che Linie vor­lie­gen : Männ­li­che Nach­kom­men ver­blie­ben größ­ten­teils am Geburts­ort, Frauen dage­gen zogen bei der Hei­rat zum Mann. Erwach­sene Frauen ver­lie­ßen den Kind­heits­ort und Frauen von außer­halb kamen in die Gemein­schaft. Wis­sen­schaft­lich aus­ge­drückt wurde in Patri­li­nea­ri­tät und Viri­lo­ka­li­tät bei weib­li­cher Exo­ga­mie gelebt.

Das Grä­ber­feld diente ver­mut­lich als Bestat­tungs­platz meh­re­rer bäu­er­li­cher Hof­ge­mein­schaf­ten mit jeweils einer erwei­ter­ten Kern­fa­mi­lie als Betrei­ber und wirt­schaft­lich zuge­ord­ne­ten unver­wand­ten Personen.

Durch eine Ana­lyse der Grab­bei­ga­ben in Kom­bi­na­tion mit gene­ti­schen und Stron­tium-Iso­to­pen-Daten konn­ten bei den Toten Unter­schiede in der Menge der Grab­bei­ga­ben nach gene­ti­schem Geschlecht, Ster­be­al­ter und loka­ler oder äuße­rer Her­kunft fest­ge­stellt wer­den, nicht aber nach der Art der Grab­bei­ga­ben, wie Kera­mik­ge­fäße. Bemer­kens­wert ist eben­falls das frühe und regel­hafte Auf­tre­ten von ein­fa­chem Metall­schmuck in Frauengräbern.

Der neu erschie­nene Arti­kel ist online frei abrufbar :

S. Penske, M. Küß­ner, A. B. Rohr­lach, C. Knip­per, J. Novačék, A. Chil­de­bayeva, J. Krause, W. Haak : Kin­ship prac­ti­ces at the early bronze age site of Leu­bin­gen in Cen­tral Ger­many. In : Sci­en­ti­fic Reports 14, 2024. https://www.nature.com/articles/s41598-024–54462‑6

Für wei­tere Infor­ma­tio­nen und Fra­gen ste­hen Ihnen zur Verfügung :

San­dra Penske, MPI-EVA, sandra_ellen_penske@eva.mpg.de
und
Dr. Mario Küß­ner, TLDA, mario.kuessner@tlda.thueringen.de  – Tel. 0361 / 57 3223 346

Früh­bron­ze­zeit­li­che Bestat­tung aus Leu­bin­gen (Befund 2025), ein 26- bis 30jähriger Mann aus einer bio­lo­gisch ver­zweig­ten Fami­lie, des­sen Vater, zwei Halb­brü­der und eine Halb­schwes­ter, ein Onkel und wei­tere Ver­wandte auf dem Grä­ber­feld bestat­tet sind. (Foto : TLDA, Weimar)
Früh­bron­ze­zeit­li­che Bestat­tung aus Leu­bin­gen (Befund 2242), die 30- bis 40jährige Frau war bio­lo­gisch mit kei­ner der am Ort bestat­te­ten Per­so­nen ver­wandt und ist ver­mut­lich ein­ge­hei­ra­tet und ent­we­der nach­kom­men­los geblie­ben oder die Nach­kom­men sind an einem ande­ren Ort bestat­tet wor­den (Foto : TLDA, Weimar)
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